Tagesworkshop DGKV-Kongress 2019 und 2021 von Psychotherapeut Reimer Bierhals
Wenn wir uns erlauben, Perspektiven zu wechseln, werden alternative Sichtweisen auf uns selbst, unser Handeln und auf unser inneres Erleben abseits unserer gewohnten Regeln möglich. Wenn diese Perspektiven-Wechsel zudem im Austausch mit einem offenen Gegenüber ohne “therapeutische Maske” stattfinden, wird mehr daraus: Dann steigt die Bereitschaft, bisherige erlebnisvermeidende Strategien nicht nur in Frage zu stellen, sondern als hoffnungslos aufzugeben – vor allem dann, wenn zeitgleich eine lebensbejahende Alternative sichtbar wird. In ACT ist der Wechsel der Perspektive das Schanier, um sich selbst als Träger sowie Beobachter eigener Erfahrungen zu begreifen, der fortlaufend über die Richtung seines Lebens neu wählen kann.
In diesem eintägigen Workshop wird der prozess-orientientierte Aspekt von ACT als ständiger Wechsel der Perspektiven zwischen KlientIn und TherapeutIn praxistauglich vermittelt. Ausgehend von der ACT-Matrix wird veranschaulicht, wie die therapeutische Interaktion als echter Erfahrungsraum (abseits von manualisiertem Vorgehen und Aneinanderreihung von Metaphern) sowie als Transporter von Perspektiven-Wechseln eingesetzt werden kann. Es gilt, im gemeinsamen Prozess mehr Bewusstsein über die unausgesprochenen “Regeln” zu erzeugen, wie sich KlientInnen und TherapeutInnen in der therapeutischen Interaktion “automatisch” verhalten. Notwendig dafür ist der Wechsel in die mitfühlende Beobachter-Haltung (bei TherpeutIn UND KlientIn), denn der ist Grundvoraussetzung für Veränderungsprozesse.
TeilnehmerInnen lernen, wie sie sich selbst als Verstärker-Werkzeug für KlientInnen einbringen; ebenso, wie sie KlientInnen dadurch vermittlen können, den Verstand und seine Regeln bewusster als Verknüpfungsmaschine zu nutzen, um auf Basis konkreter Erfahrungen neue, hilfreichere Verknüpfungen herzustellen. Verknüpfungen, die uns erlauben unser Handlungsrepertoire so zu erweitern, dass wir immer öfter eine Wert-geschätzte Richtung für das eigene Leben einschlagen. TeilnehmerInnen üben hierfür mit der Wippen-Technik (vgl. www.psychotherapie-bewegt.de/wippencoaching) eine strukturierte Vorgehensweise auf Basis der ACT-Matrix ein, die sich direkt in der therapeutischen Arbeit zum Training von Perspektiven-Wechseln umsetzen lässt - zur Stärkung der mitfühlenden Beobachterhaltung für mehr Engagement in Richtung der eigenen Werte.
Lernziele des Workshops
- Die ACT-Matrix verstehen und anwenden
- In die mitfühlende Beobacherhaltung wechseln und dabei die “therapeutische Maske” ablegen
- Die therapeutische Interaktion als realen Proberaum für Veränderung prozessorientiert nutzen
- Verstehen, wie innere Regeln des Verstandes konstruiert sind. Dieses Verständnis für Perspektiven-Wechsel zur Verknüpfung von Werten und Handlungen nutzen
LITERATUR:
- Holman, Kanter, Tsai, & Kohlenberg (2017). Functional Analytic Psychotherapy made simple: A practical guide to therapeutic relationships. Oakland: New Harbinger
- Kohlenberg & Tsai (1991). Functional analytic psychotherapy. New York: Plenum Press
- Schoendorff, Webster, & Polk (2014). Under the hood: Basic processes underlying the Matrix. In Polk & Schoendorff. The ACT-Matrix [Chapter 2, p. 15-38]. Oakland: Context Press.
- Villatte, Villatte, & Hayes (2016). Mastering the Clinical Conversation: Language as Intervention. New York: Guilford Press [Kapitel 3 und 6]. Auf Deutsch (2020): Sprache als Intervention. Stuttgart: Kohlhammer
- Walser (2019). The Heart oft ACT: Developing a flexible process-based and client-centered practice using Acceptance and Commitment Therapy. Oakland: New Harbinger
- Bierhals (2014). Wippen-Coaching [on-line]