Regeln bestimmen unser Handeln - tagein, tagaus. Zum Beispiel: nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen, bei Rot an der Ampel warten, die Abgabefrist in der Arbeit einhalten, die Monatsmiete pünktlich überweisen. Manchmal beachten wir Regeln, ohne dass uns das noch bewusst ist. Das kann an sich sehr sinnvoll sein, weil es den Alltag entlastet oder unser soziales Miteinander vereinfacht.
Allerdings haben manche innere Regeln, nach denen wir uns automatisch ausrichten, eine giftige Wirkung. Vor allem dann, wenn die "Regel" beinhaltet, dass man sich erst besser oder anders fühlen müsste, bevor man etwas Wichtiges umsetzt. Die Regelhörigkeit verhindert dann, dass wir uns für das Leben engagieren, das uns wirklich wichtig ist.
Der erste Schritt, sich von der giftigen Wirkung dieser inneren Regeln zu emanzipieren ist, sich überhaupt bewusst zu werden, dass wir diesen Regeln folgen. Denn erst dann ist es möglich, unsere konkreten Erfahrungen mit den Vorhersagen der Regel zu vergleichen. Und: ehrlich abzuwägen, ob das Befolgen der Regel nur kurzfristig hilft, oder ob es auch wirklich langfristig dazu beiträgt, ein zufriedeneres Leben zu führen. Deshalb hier ein paar Tipps, wie innere Regeln aufgebaut sind, die wir vielleicht gar nicht mehr hinterfragen. UND ein paar Merkmale von toxischen inneren Regeln - um sie eher zu bemerken, bevor wir sie wie im Autopilot befolgen. Für mehr Wahlfreiheit, ob und wann wir diesen Regeln wirklich Folge leisten wollen.
Giftige innere RegeLn
Innere Regeln des Verstandes werden giftig, wenn sie uns vorschreiben, unangenehme Gefühle beseitigen oder kontrollieren zu müssen, um glücklich zu sein. Die Regel-Befolgung geht
mit zwei toxischen Geschwisterchen einher:
1.) Emotionsvermeidung, d.h. um sich glücklich zu fühlen, benutzen wir Strategien, um unangenehme Gefühle zu unterdrücken, zu bekämpfen oder auszublenden - und das, obwohl es
langfristig nicht wirkt. Im Gegenteil: es kommt zu einem paradoxen Effekt: Je mehr wir versuchen, innerliches Erleben wegzukriegen, desto mehr bleiben wir dran kleben. 2.) Situations-
oder Handlungsvermeidung, d.h. Situationen oder Handlungen nicht mehr einzugehen, bei denen unangenehme Gefühle auftauchen könnten. Und zwar auch Handlungen, die wirklich wichtig für
unsere Lebenzufriedenheit sind. Toxisch ist das Ganze, wenn wir die Regel nicht für das Ergebnis verantwortlich machen. Toxisch ist das Ganze, wenn wir nicht merken, dass die Regel fehlerhaft
ist. Toxisch ist es, wenn wir bei Kontakt mit unangenehmen Gefühlen deshalb mehr und mehr derselben Regel folgen, obwohl sich dadurch unser Leben immer mehr einschränkt und wir durch die
Regelbefolgung immer lebensunzufriedener werden.
# weitere Infos, wie wir uns von den nicht-hilfreichen Vorhersagen unseres Verstandes emanzipieren können, unter:
Bestandteile von Regeln
# Bedingungsteil (Beschreiben eines bestimmten Zustands)
# Handlungsanweisung (was ist zu tun im Sinne der Regel, wie auf den Zustand reagieren?)
# in Aussichtstellen einer pos. Konsequenz bei Regelbefolgung
# in Aussichtstellen einer negativen Konsequenz, falls die Regel missachtet wird = Drohung/Warnung im Sinne der Regel
Beispiel für Regel-Konstruktion
"Wenn Du Dich unter Druck gesetzt fühlst und Du unsicher bist (Bedingungsteil),
dann krieg' schnell raus, was erwartet wird und antworte schnell, (Handlungsanweisung),
damit stellst Du sicher, dass Du die Erwartungen erfüllst und akzeptiert wirst (in Aussichtstellen einer pos. Konsequenz bei Regelbefolgung),
sonst spürst Du noch mehr Druck, stehst hilflos da und wirst abgelehnt (in Aussichtstellen einer negativen Konsequenz, falls Regel nicht befolgt wird = Drohung/Warnung im Sinne der Regel)"
Regeln bewusst erkunden
Eine Alternative zur blinden Regelhörigkeit ist zu tracken, welche innere Regel gerade aktiv ist (siehe Übung zum täglichen Regel-Tracking). Dann in die mitfühlende Beobachterhaltung wechseln und dabei die Bereitschaft aufzubauen, HIER&JETZT-Erfahrungen auch im Angesicht von unangenhemen Gefühlen einzugehen. (das lässt sich üben! siehe --> Achtsamkeit üben mit Meditationen). Schließlich: die konkreten Wahrnehmungen innerhalb der HIER&JETZT-Erfahrungen gelten lassen UND diese konkreten Erfahrungen mit den Vorhersagen der Regel vergleichen. Siehe hierzu:
Übung zum täglichen Regel-Tracking
Erkunden Sie doch als Übung, wann Sie toxischen inneren Regeln folgen, und wie gut die Regelbefolgung tatsächlich funktioniert. Machen Sie dazu eine Notiz am Tag auf einem Blatt mit fünf Spalten: Schreiben Sie in die 1. Spalte eine schwierige Situation des Tages, in der unangenehmes inneres Erleben aufgetaucht ist (benennen Sie: welche Situation und welche Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, Körperempfinden) --> dann halten Sie in der 2. Spalte fest, was Sie konkret getan haben, in der Absicht, nicht mehr spüren zu müssen (welche WEGVON-den-Gefühlen-Handlung Sie gemacht haben?). In der 3. Spalte konstruieren Sie die Regel, der Sie mit der WEGVON-Handlung gefolgt sind (mit allen vier Bestandteilen der Regel). Benennen Sie auch, was die Regelbefolgung Sie gekostet hat. In der 4. und 5. Spalte bewerten Sie in %, wie gut die WEGVON-Handlung kurzfristig funktioniert, um nicht mehr spüren bzw. innerlich erleben zu müssen, und wie (lebens-)zufrieden sie Sie langfristig macht.
1.) Unangenehmes inneres Erleben in einer konkreten
Situation des Tages (z.B. Körper-Empfindungen, Emotionen,Gedanken,...) |
2. Was haben Sie an WEGVON-Handlung probiert, um nicht mehr spüren zu müssen? | 3. Die WEGVON-REGEL konstruieren, die bei WEGVON-Handlung befolgt worden ist und Kosten der Regel benennen (z.B. Zeit, Energie, Anstrengung). |
4. Kurzfristiger Nutzen der WEGVON- Handlung in % |
5. Wie (lebens)-zufrieden macht Sie die WEGVON-Handlung langfristig in % |